Armenien

Achtzig Kilometer südlich von Tiflis überqueren wir die Grenze nach Armenien. Die Einreise ist innerhalb einer guten Stunde problemlos erledigt. Wir müssen eine obligatorische Umweltsteuer von ca. 20 Euro bezahlen und dann in einem Laden kurz nach der Grenze noch eine ebenfalls obligatorische Versicherung für das Auto abschließen die für 30 Tage auch nochmal 20 Euro kostet. Gleich nebenan gibt es dann noch Internet und wir nehmen gleich 10GB für 10 Euro. Dann kann es losgehen. 

Armenien ist ein uraltes Kulturland und gilt als erster christlicher Staat der Geschichte mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im Jahre 301. Im osmanischen Reich wurden 1915 über 1,5 Millionen Armenier Opfer eines systematisch betriebenen Genozids. Die politischen Beziehungen zu den Nachbarn Türkei und Aserbaidschan sind dadurch belastet und die Grenzen geschlossen. Armenien bemüht sich bis heute um internationale Anerkennung dieses Völkermords. Wer mehr dazu wissen will dem kann ich das Buch „Die vierzig Tage des Musa Dagh von Franz Werfel“ empfehlen.

An der ersten Weggabelung nach der Grenze ist ein Verbotsschild für LKW über 8to doch es ist die Strecke zum Kloster Haghpat das wir uns unbedingt anschauen wollen. Wie so oft ignorieren wir das erstmal, aber nur zwei Minuten später stoppt uns die Polizei, im Übrigen zum ersten Mal auf dieser Reise. In meinem besten armenisch versuche ich ihm klar zu machen, dass wir ein Wohnmobil sind und kein LKW. Nach längerer Diskussion mit Händen und Füßen kann ich ihn davon überzeugen, dass wir leichter als 8to sind und wir dürfen weiterfahren. Wir passieren trostlose Ortschaften mit Plattenbauten und vielen verfallenen Fabriken aus der Sowjetzeit. Die Straße ist von Schlaglöchern übersät und kaum als solche zu bezeichnen. Wenn wir mal 50km/h fahren können sind wir schon glücklich und so kommen wir dann erst am späten Nachmittag am Kloster an. Es liegt mal wieder malerisch hoch oben am Berg und den vielen großen Reisebussen nach zu urteilen ist es auch ein Touristenanziehungspunkt. Haghpat wurde im 10. Jahrhundert gegründet und ist wohl die schönste Klosteranlage in Armenien und seit 1996 auch UNESCO Weltkulturerbe. Nicht weit weg ist ein schöner Campingplatz mit toller Aussicht ins Tal wo wir ein paar Tage die Sonne genießen und ein paar Servicearbeiten am Fahrzeug machen. 

Nach zwei Ruhetagen fahren wir bei herrlichem Sommerwetter zum Sewan See. Er liegt auf 1900m, ist doppelt so groß wie der Bodensee und zählt zu den größten Hochgebirgsseen der Welt. Auf einer kleinen Halbinsel liegt malerisch oben am Berg das 874 gegründete Kloster Sewanawank und ein paar Kilometer weiter das Kloster Hayravank. Unten am See gibt es nette Restaurants wo wir zum ersten Mal die armenische Küche ausprobieren. Wir folgen der Straße Richtung Süden am See entlang und finden ein paar Kilometer weiter einen schönen Platz in Ufernähe für Momo und unsere Hängematten. Doch kaum haben wir uns gemütlich eingerichtet schlägt das Wetter um und die Temperatur sinkt binnen einer halben Stunde von 24 Grad auf 10 Grad. So schnell, dass wir kaum Zeit haben die warmen Jacken anzuziehen. Die Idee mit dem Schwimmen mussten wir also erstmal aufgeben. 

Am nächsten Morgen ist es nur noch 5 Grad mit trüben Aussichten. Also packen wir ein und fahren in die Hauptstadt des Landes, nach Yerivan. Die Stadt ist 2800 Jahre alt und damit sogar etwas älter als Rom. Wir finden einen schönen Stellplatz oberhalb der Stadt direkt am Monument der „Mutter Armeniens“ was früher wohl ein Stalin Denkmal gewesen ist bevor er 1962 von Sockel gestoßen wurde und der Mutter weichen musste. Mit dem Sammeltaxi sind wir von dort in wenigen Minuten in der Innenstadt. Eine Fahrt mit diesen Marschrutkas ist ein Abenteuer der besonderen Art. Die Kleinbusse werden zum Teil nur noch durch die Spachtelmasse zusammengehalten und voll besetzt gibt es nicht. Einer geht immer noch rein. Wenn dann der Fahrer den Berg runter den Gang raus macht um Sprit zu sparen kann man nur hoffen, dass wenigstens die Bremsen funktionieren. Wir beginnen unseren Rundgang am Platz der Republik, wohl eine der schönsten Platzanlagen der ehemaligen Sowjetunion. Nicht zu übersehen ist an der Nordostseite der Museumsbau mit dem Nationalmuseum. Die archäologische Sammlung im dritten Stock ist wirklich herausragend und staunend steht man vor Exponaten aus Bronze, Stein, Holz anderen Materialien die 2000 bis 5000 Jahre alt sind. Unter anderem zwei hölzerne Sargwagen aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus und ein Schuh von 3500 vor Christus der in einer Höhle gefunden wurde und als der älteste Schuh der Welt gilt. Leider ist fotografieren im Museum verboten. Daher gibt es nur Bilder von außen. 

Wir bummeln durch die Fußgängerzone und sehen eine sehr moderne Stadt die mit jeder westeuropäischen Großstadt mithalten kann. Unser Spaziergang endet an der Jerewan Kaskade, eine monumentale Stiege mit Terrassen, die die Stadt mit den Hügeln über der Stadt verbindet. Davor ist ein schöner Park angelegt und viele Künstler haben hier ihre Werke ausgestellt, unter anderem auch drei Skulpturen von Botero, dessen monumentale Figuren wir vor ein paar Jahren bereits in Medellín gesehen haben. Am Fuß der Treppe finden wir zufällig ein nettes mexikanisches Restaurant für ein Abendessen bei dem nur der Wein armenisch ist. Mittlerweile ist es dunkel geworden und dann verwandeln sich die Springbrunnen am Platz der Republik in tanzende Fontänen mit Musik, ähnlich wie am Bellagio in Las Vegas. Damit endet auch schon unser Bummel durch Yerivan. Auf dem Rückweg verzichten wir auf das Vergnügen einer Marschrutka und nehmen lieber ein Taxi. 

Am nächsten Morgen verlassen wir die Stadt und fahren nach Osten in die Geghama Berge. Dort liegen zwei Ziele die, laut Reiseführer, kein Besucher auslassen sollte. Als erstes liegt der Tempel von Garni an der Strecke und wir stellen fest, dass dieses Highlight wohl wirklich niemand auslässt. Am späten Vormittag zählen wir mindestens 15 große Reisebusse und dazu kommen noch ungezählte Kleinbusse. Kurzentschlossen drehen wir um und beschließen in den nächsten Tagen frühmorgens nochmal einen Versuch zu wagen. Wir fahren ein paar Kilometer weiter zum Kloster Geghard. Dort sind zwar auch einige Reisebusse, aber bei weitem nicht so ein Trubel wie am Tempel. Das Kloster wurde im vierten Jahrhundert gegründet. Die heutigen Klosterbauten stammen aus dem 13. Jahrhundert und schmiegen sich malerisch in die felsige Landschaft. Zu Recht gehört es in die Kategorie der schönsten Klöster Armeniens. In einem Raum des Klosters, den man über einen engen dunklen Gang erreicht, musizieren oft junge Sänger. Die großartige Akustik, hervorgerufen durch die gewölbte Architektur, ist dann wirklich einzigartig und ergreifend.  

In der Nähe gibt es einen schönen Campingplatz mit Pool und Internet. Für uns mal wieder eine gute Gelegenheit Wäsche zu waschen und nebenher etwas Urlaub zu machen.

Dann erreicht uns aber leider die Nachricht von einem Trauerfall im engen Freundeskreis und wir fliegen kurzentschlossen nach Hause. Wie so oft im Leben liegen Freud und Leid eng beieinander, denn ein paar Tage später können wir unser erstes Enkelkind begrüßen und sind nun stolze Großeltern. Mitte Oktober sind wir wieder in Armenien und setzen unsere Reise fort.

 

Auf dem Campground, wo wir MOMO zurückgelassen haben, warten schon Olaf & Riecke auf uns, denen wir eine neue Standheizung mitbringen. Achim & Andrea mit ihrem 1017er die wir bereits in Georgien getroffen haben sind auch da und so verbringen wir zwei nette feuchtfröhliche Grillabende miteinander bevor es weiter geht. 

Auch der zweite Versuch den Garni Tempel anzuschauen scheitert an der Masse der Reisebusse und wir fahren kurzentschlossen weiter. In Yerivan müssen wir noch unsere KfZ Versicherung verlängern, da wir die 30 Tage Aufenthalt bereits überschritten haben. Dann laden wir nochmal 3GB Internet auf und gönnen MOMO eine Komplettwäsche. So können wir den restlichen Tagen in Armenien dann entspannt entgegen schauen. 

Am Fuß des 5165m hohen Ararat, wo einst Noah mit seiner Arche gestrandet ist, liegt das Kloster Chor Wirap, direkt an der Grenze zur Türkei. Die Hauptkirche entstand im 17. Jahrhundert und gehört zu den wichtigsten Pilgerstätten in Armenien. Von der Wehrmauer hat man einen großartigen Blick auf den Ararat, sofern das Wetter mitspielt, was bei uns leider nicht der Fall war. 

Am nächsten Tag geht es weiter zum Kloster Norawank, das im 9. Jahrhundert gegründet wurde. Schon die Anfahrt durch die enge Amaghu Schlucht ist ein Erlebnis und am Ende liegt dann am Fuß der roten Felsen das Kloster. Auch unter der Fremdherrschaft diverser Eroberer wurden das Areal nie zerstört. Erst ein Erdbeben im Jahr 1840 brachte die Kuppeln zum Einsturz und das Kloster wurde aufgegeben. Im 20. Jahrhundert begannen Restaurierungsarbeiten und heute erstrahlen die Gebäude fast im alten Glanz. 

Auf der Weiterfahrt Richtung Süden machen wir noch einen Stopp am Soraz Karer, dem armenischen Stonehenge. Die Steine stehen dort in Reih und Glied und haben kreisrunde Löcher. Wie es entstanden ist und zu welchem Zweck, darüber streiten sich die Gelehrten bis heute. Einige vermuten ein Himmelsobservatorium das über 7500 Jahre alt sein soll, aber die Löcher eignen sich aufgrund ihrer Größe und Setzung wohl nicht dafür. Wie auch immer, es ist ganz nett anzusehen und auf der gegenüberliegenden Seite des Geländes hat ein armenischer Künstler einen Steinkreis a la Stonehenge gesetzt und einige nette Steinmetzarbeiten hinterlassen.

Auch Armenien hat einen Eintrag im Guiness Buch der Rekorde. Nach nur 10 Monaten Bauzeit wurde 2010 die weltweit längste Seilbahn mit durchgehendem Tragseil eröffnet. Sie verbindet den Ort Halidsor mit dem Kloster Tatev auf einer Länge von 5752m. 25 Personen können mit einer Höchstgeschwindigkeit von 32km/h in 11-15 Minuten über die Schlucht gebracht werden, wobei die Gondel an der tiefsten Stelle 321m über Grund schwebt. Das Kloster Tatev entstand im 9. Jahrhundert und liegt malerisch auf einer Bergkuppe. Im 14. und 15. Jahrhundert war es einst ein spirituelles Zentrum und Sitz einer mittelalterlichen Universität. Vor dem Tor der Klosteranlage liegt noch eine alte Ölmühle die als Museum eingerichtet ist. Vor dem Bau der Seilbahn war das Kloster nur über eine abenteuerliche Serpentinenstraße erreichbar. 

Nun ist es genug mit Klöstern, auch wenn wir uns für die Übernachtung direkt vor ein verlassenes Kloster mitten im Wald stellen. In den nächsten Tagen reisen wir im Süden von Armenien in den Iran ein. Karin muss dann das Kopftuch nicht nur im Kloster, sondern ständig tragen, denn im Iran ist Kopftuch Pflicht. Da freut sie sich schon mächtig drauf. Den Alkohol müssen wir bis zur Einreise auch vernichtet haben. Wir arbeiten dran. Das nächste Bier muss dann bis Oman warten. Wir sind auf jeden Fall sehr gespannt was uns erwartet und werden natürlich weiter berichten. Bis dahin viel Spaß beim Lesen und Bilder anschauen. 

Unsere Route in Armenien - 1300 km

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Kommentare: 6
  • #1

    Manni (Montag, 21 Oktober 2019 22:52)

    Dann viel Spaß beim Kopftuchtragen. �
    Passt auf Euch auf

  • #2

    Marion Kabbe (Dienstag, 22 Oktober 2019 01:30)

    Danke fürs Mitreisen. Ich bin völlig in Bann geschlagen von diesen „ fremden“ und eher unbekannten Ländern. Von welchen Ländern kommen denn die vielen Reisebusse? Die Kopftuchpflicht im Iran könnte ich schwerlich ertragen und bewundere Karin. Bin gespannt auf den nächsten Blog. Grüssle Marion

  • #3

    Christa (Dienstag, 22 Oktober 2019 11:16)

    Liebe Karin...erst mal Glückwunsch zum ersten Enkerl...alles Gute auch für deinen Sohn und seine Frau mit ihrem Baby. Geniesst weiter eure Reise und ich freu immer wieder über eure spannenden Berichte und die tollen Bilder. Herzliche Grüsse aus Bayern..

  • #4

    Bibi Huber (Dienstag, 22 Oktober 2019 19:18)

    Toller interessanter Reisebericht über Armenien..
    mit phantastischen Fotos... bin sehr beeindruckt über dieses Land...hat mir sehr gut gefallen...
    Man wartet schon mit Spannung auf den nächsten Bericht.
    Grüsse Bibi Huber, Grafing

  • #5

    ulrike (Donnerstag, 24 Oktober 2019 12:31)

    freu mich schon auf den oman-beitrag. Oman super zum wildcampen, was kein problem ist, keine kopftuchpflicht!, sehr höfliche menschen und respektvolle männer gegenüber frauen, friedlich und offen....meine zukünftige überwinterungsstätte
    weiterhin viel glück und unfallfreie gute fahrt

  • #6

    Ludmila1017.blogspot.de (Dienstag, 17 März 2020 09:08)

    sehr schön, ich kann das ein wenig nachvollziehen :-)